Anzahl der Beiträge : 134 Anmeldedatum : 04.03.12 Alter : 40 Ort : Back from hell, and nothing to loose...
Thema: Das verfallene Weingut Mo Nov 12, 2012 4:15 am
Es sollte ein ruhiger Sonntagnachmittag vor dem TV werden...
...bis das Handy klingelte und wir zufällig die Info über eine Location bekamen, deren Geschichte allein schon ein Kribbeln im Nacken verursacht. Und schon sitzen wir im Auto und fahren 400km um das Anwesen mit eigenen Augen zu sehen. Leider mussten wir dann relativ schnell einsehen, der Winter ist doch nicht so perfekt für unser Hobby, da es schon stockfinster war bevor wir ankamen, und wir daher leider auch kaum brauchbare Fotos zustande brachten Dazu kam dass Leerstand sowie ein Feuer im Obergeschoss dem Anwesen gar nicht gut getan haben, und eine Begehung ab dem zweiten Flur der ersten Etage an Selbstmord gegrenzt hätte, da die Böden wohl nicht einmal mehr eine Maus getragen hätten.
Dennoch hat das Anwesen uns innerhalb kürzester Zeit in seinen Bann geschlagen, was von der Stadtverwaltung als "schandfleck" bezeichnet wird, war für uns ein absolutes Highlight. Zu deutlich kann man in diesem Gebäude Aufstieg und Verfall ganz dicht beeinander betrachten...
...Qualität seit 1789. Im Jahre 1789 gründete F. W. L. das Weinhaus. Die Familie L. kultiviert eigene Weinberge. Ihre über Generationen gewachsene praktische Erfahrung im Weinbau hat den Charakter des Unternehmens entscheidend geprägt und den Namen L. bei Weinfreunden in aller Welt bekannt gemacht.
Der Maßstab für die Qualität der Weine sind die Trauben und das Lesegut aus den L.-eigenen Weinbergen...
Aber das Gebäude hat nicht nur schöne Zeiten gesehen... Die wohl düsterste Episode des Gutes spielte sich in der zweiten Hälfte des 20. Jhd ab. Kurz bevor das Anwesen endgültig verlassen wurde (Die Geschäftsräume waren schon verlegt) wurde der kleine Sohn des Inhabers im Gewölbekeller brutal erschlagen, woraufhin sein Vater sich im Dachstuhl erhängte. Der Täter wurde nie gefasst, aber man ging davon aus, dass es sich um einen Mitarbeiter der Kellerei handelte. Die Witwe und Mutter des Jungen verschwand kurz darauf, man vermutete dass auch sie Selbstmord begangen hatte, evtl im nahen Fluss. So auskunftsfreudig die Stadt, das Gut betreffend auch ist, spricht man den Tod des Jungen und seines Vaters an, wird man abgewimmelt, auch bei den Anwohnern hat man wenig Erfolg näheres zu erfahren.
Bevor ich euch nun aber langweile, erst einmal die Bilder und danach ein wenig zur weiteren Geschichte des Weingutes:
Eine der größten Weinkelleranlagen ist die der traditionsreichen Weinkellerei L.. Schon seit dem 18. Jahrhundert in XXX ansässig, errichtete man Mitte des 19. Jahrhundert weitläufige Weinkeller und ein repräsentatives Wohnhaus in XXX. Von der Seite des Betriebsgebäudes steigt man 26 steile Stufen hinab in den sog. Tiefkeller und befindet sich in einem beeindruckenden Kreuzgewölbe. Parallel zur Straße liegen vier Tonnen- bzw. Korbgewölbe, die von einem Verbindungsgewölbe rechtwinklig durchschnitten werden. Auf den seitlichen Fasslagern konnten einige hundert Weinfuder zweckmäßig gelagert werden. Es ist noch eine stattliche Anzahl runder und ovaler Holzfässer vorhanden. Neben einer Anzahl von Kunststofftanks aus der Mitte des 20. Jahrhunderts sind aber von besonderem baugeschichtlichem Interesse die am Ende der Gewölbe befindlichen, riesigen mit Glas gekachelten Betonfässer. Das über 100.000 Liter fassende größte ist gleichzeitig auch mit seinem angegebenen Baujahr 1896 das älteste in der Region und damit zugleich sowohl Zeuge einer von XXX ausgehenden damals fortschrittlich-neuen Lagertechnologie als auch Beweis steigender Kapazitätserfordernisse.
Neben dem Betriebsgebäude liegt am Moselufer die ebenfalls Mitte des 19. Jahrhunderts im Stil des Klassizismus errichtete Wohnvilla der Familie J. W. L.. Die unterhalb des Gebäudes und unter dem benachbarten Park vorhandenen Gewölbestrukturen sind als solche heute nur noch schwer zu erkennen. Es handelt sich aber architektonisch um ein Kreuzgewölbe-Gefüge ähnlich wie unter dem benachbarten Tiefkeller. Grund für die schwierige Betrachtung der ursprünglichen Bausubstanz sind exakt 47 eingebaute Betontanks mit jeweils einer Kapazität von ca. 20.000 Litern, die zwischen 1950 und 1960 errichtet wurden. Somit verfügte man über ein Gesamtvolumen von ca. 2,5 – 3 Millionen Litern, das durch den gewaltigen Erfolg der L.’schen Markenweine benötigt wurde. Wegen der Beeinträchtigung des Betriebsablaufes durch immer wieder auftretende Hochwasser wurde die Kellerei L. im letzten Drittel des 20. Jh.(1981) verlegt. Daher stehen die Betontanks heute leer.
Letztes Jahr wurde das ohnehin schon extrem baufällig Anwesen durch ein Feuer im Obergeschoss weiter beschädigt, klaffende Löcher im Dach und Lösch- sowie Regenwasser haben ihr übriges getan, sodass wir uns nicht weiter als bis zum zweiten Flur im ersten Stock vorwagen konnten, und das obwohl, das Anwesen noch weitestgehend eingerichtet ist. Auch von der anderen Seite war kein Beikommen möglich, da hier schon die Erdgeschosstreppe nicht mehr begehbar war und die Decke halb herunter gekommen.
Heute ist das Anwesen im Besitz der Stadt, die es an einen Investor veräußern möchte. Investoren stehen auch schon bereit, zum einen ein Investor, der bereits einen Vorvertrag mit der Stadt geschlossen hat, und "hochwertige" barrierefreie Wohnungen bauen möchte. "Die Bauarbeiten können eventuell noch vor dem Winter beginnen. Die Fertigstellung ist für 2013 vorgesehen." Noch steht das Gebäude aber, und sieht auch nicht aus, als würde Abriss noch dieses Jahr beginnen, was wahrscheinlcih bedeutet, dass der Investor mit seinen Ideen beim Denkmalschutz bisher keinen Erfolg hatte. Gut für das Anwesen, da es einem zweiten Investor die Möglichkeit gibt evtl doch noch zum Zuge zu kommen, auch er möchte mehrere Millionen investieren, allerdings ohne Abriss, der aus Amerika stammende Investor möchte das Gebäude sanieren und in seiner ursprünglichen Form beibehalten und zum Restaurant umfunktionieren Hoffen wir einmal im Sinne des Weinguts dass der Amerikaner Erfolg hat, da dieser sein "Können" bereits an einer anderen historischen Villa beweisen konnte.